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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 3 U 219/06
Rechtsgebiete: HWG, AMG


Vorschriften:

HWG § 10 Abs. 1
AMG § 10 Abs. 1 Satz 1
AMG § 10 Abs. 1 Satz 4
1. Der Hinweis "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der Faltschachtel des Arzneimittels ist keine Pflichtangabe (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AMG) und es handelt trotz der sachlich gehaltenen Angabe entsprechend dem weiten HWG-Werbebegriff um Werbung im Sinne auch des § 10 Abs. 1 HWG. Das steht dem Normzweck des § 10 Abs. 1 HWG nicht entgegen.

2. Im vorliegenden Einzelfall ist ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG über die normative Korrektur des Werbebegriffs nicht gegeben, und zwar wegen § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG:

Der Hinweis "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der Faltschachtel widerspricht nicht der Fachinformation (§ 11 a AMG), wenn dort diese Indikation als erste angegeben ist und sie in der Verschreibungshäufigkeit die bei weitem wichtigste ist. Der Hinweis ist als zusätzliche Information wichtig für die gesundheitliche Aufklärung, obwohl man ihn auch der Packungsbeilage entnehmen kann; bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel ist die Angabe des Verwendungszwecks auf der äußeren Umverpackung inzwischen sogar zwingend vorgeschrieben (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 AMG; anders noch die Senatsentscheidung in EV-Sache vom 16. 2. 2006, 3 U 192/05, zu § 10 Abs. 1 Satz 3 AMG a. F.)


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 219/06

Verkündet am: 12. Juli 2007

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 14. Juni 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 5. September 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien sind Pharmaunternehmen, vertreiben bluthochdrucksenkende Arzneimittel und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Beklagte vertreibt das verschreibungspflichtige Arzneimittel "Toooo" (Anlage K 2: Fachinformation). Auf der äußeren Umverpackung des Präparats steht, wie die Abbildung der Faltschachtel in der Werbeanzeige ergibt (Anlage K 3), u. a. die Angabe:

"Zur Behandlung von Bluthochdruck".

Die Klägerin beanstandet die Angabe auf der äußeren Umverpackung sowie einen Werbehinweis aus der Anzeige als wettbewerbswidrig und nimmt deswegen die Beklagte vorliegend mit der Klage auf Unterlassung in Anspruch.

In der Berufungsinstanz geht es nur noch um die Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der äußeren Umverpackung des Arzneimittels gemäß dem Klageantrag zu 2.).

Das in Rede stehende Arzneimittel ist für folgende Anwendungsgebiete zugelassen (Anlage K 2, Fachinformation, dort unter Ziffer 4. 1):

- arterieller Bluthochdruck (Hypertonie)

- chronische, stabile koronare Herzkrankheit (Angina pectoris)

- Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt

- schnelle Formen der Herzrhythmusstörungen (supraventrikuläre und ventrikuläre tachykarde Arrhythmien)

- vorbeugende Behandlung der Migräne.

Unstreitig ist die an erster Stelle in der Fachinformation aufgeführte Indikation "arterieller Bluthochdruck (Hypertonie)" mit über 80 % Verschreibungshäufigkeit die bei weitem am wichtigste (Anlage B 3).

In dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums (Landgericht Hamburg 312 O 540/05) hat das Landgericht Hamburg seine Beschlussverfügung vom 8. Juli 2005, mit der der Beklagten verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel "Toooo" mit nachfolgenden Aussagen zu werben:

1.) "Neu"

und/oder

2.) "Höhere Compliance durch 1 x tägliche Einnahme" wie in der mit diesem Beschluss verbundenen Anzeige geschehen (es folgt Fotokopie der Anzeige gemäß Anlage K 3)

und/oder

3.) außerhalb der Fachkreise mit der Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck"; mit Urteil vom 16. August 2005 zu Ziffer 2.) bestätigt und im Übrigen die Beschlussverfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Senat mit Urteil vom 16. Februar 2006 (HansOLG Hamburg 3 U 192/05) die einstweilige Verfügung zu Ziffer 3.) unter Hinzufügung des Nachsatzes: "und zwar auf der äußeren Umverpackung des Arzneimittels" erneut erlassen und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen (Anlage K 4).

Auf das einstweilige Verfügungsverfahren und insbesondere auf die genannten Entscheidungen wird auf die Beiakte Landgericht Hamburg 312 O 540/05 (= HansOLG Hamburg 3 U 192/05) Bezug genommen.

Der vorliegende Rechtsstreit ist die Haupt-Unterlassungsklage zu dem vorangegangenen Verfügungsverfahren, und zwar betreffend die Ziffern 2.) und 3.) der oben zitierten Beschlussverfügung. In der Berufungsinstanz geht es, wie ausgeführt, nur noch um den Klageantrag zu 2.), entsprechend dem Verfügungsantrag zu Ziffer 3.) der Beschlussverfügung.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Angabe: "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der Faltschachtel des Arzneimittel "Toooo" (Anlage K 2) sei keine gemäß § 10 AMG vorgeschriebene Pflichtangabe. Weitere Angaben auf der Faltschachtel mit den Einschränkungen des § 10 Abs. 1 Satz 3 AMG (vgl. jetzt: § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG n. F.) seien zwar zulässig, unterlägen aber voll der werberechtlichen Überprüfung. Die uneingeschränkte Formulierung "Zur Behandlung von Bluthochdruck" verstoße gegen § 12 Abs. 1 HWG, hoher Blutdruck sei eine organische Krankheit des Herzens. Zudem sei eine nach § 10 HWG unzulässige Werbung für das verschreibungspflichtige Arzneimittel gegeben.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von bestimmten Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel "Toooo" mit nachfolgenden Aussagen zu werben:

(2.) außerhalb der Fachkreise mit der Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck", und zwar auf der äußeren Umverpackung des Arzneimittels zu werben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Den außerdem in der Klageschrift vom 21. April 2006 angekündigten Klageantrag, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von bestimmten Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel "Toooo" mit nachfolgenden Aussagen zu werben:

(1.) "Höhere Compliance durch 1 x tägliche Einnahme", wie in der mit diesem Beschluss verbundenen Anzeige geschehen (verknüpft mit "und/oder" mit dem Verbot zum Klageantrag zu 2.); haben die Parteien im Hinblick auf die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung gemäß Schriftsatz der Beklagten vom 30. Juni 2006 (Bl. 26) in der Verhandlung vom 15. August 2006 vor dem Landgericht übereinstimmend für erledigt erklärt (Bl. 39).

Die Beklagte hat vorgetragen:

Ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG liege - entgegen der Auffassung des Senats im Urteil zum Verfügungsverfahren (Anlage K 4 sowie Beiakte HansOLG Hamburg 3 U 192/05) - nicht vor:

Es sei schon fraglich, ob die Angabe auf der Faltschachtel "Werbung außerhalb der Fachkreise" im Sinne des § 10 Abs. 1 HWG sei. Sie sei weder objektiv geeignet, den Absatz zu fördern, noch bestehe insoweit bei ihr (der Beklagten) subjektiv eine Absatzförderungsabsicht.

Die Faltschachtel gelange zwar in die Hände der Verbraucher, aber erst nach der Verschreibung durch den Arzt. Dass der Verbraucher wegen der Angabe auf der Packung den Arzt bitten werde, ihm das Mittel gegen Bluthochdruck zu verschreiben, sei nicht anzunehmen, vor allem wenn der Patient keinen Bluthochdruck habe. Entsprechend den objektiven Gegebenheiten habe sie (die Beklagte) auch keine Absatzförderungsabsicht. Der Aufdruck auf der Packung habe schlagwortartig das - unstreitig so vorliegende - Hauptanwendungsgebiet des Arzneimittels bezeichnen sollen. Das sei durchaus nützlich, wenn der Patient verschiedene Mittel zu Hause habe. Die Angabe sei dementsprechend sachlich-knapp gehalten und nicht reklamehaft herausgestellt.

Entgegen der Auffassung des Senats (Anlage K 4) sei es der Schutzzweck des § 10 Abs. 1 HWG nicht, den Gefahren der medikamentösen Selbstbehandlung zu begegnen. Vielmehr solle mit dem Publikumswerbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel verhindert werden, dass der Verbraucher mit Informationen überschwemmt und belästigt werde, mit denen (vor allem bei Werbebroschüren) er nichts anfangen könne, weil es verschreibungspflichtige Mittel seien.

Bei der streitgegenständlichen Angabe auf der Packung sei es anders. Ohne Arztbesuch komme man nicht an das verschreibungspflichtige Arzneimittel heran. Die Angabe sei zudem eine Information, die auch in der Packungsbeilage stehe und dort als Pflichtangabe sogar stehen müsse. Die Vorschrift des § 11 Abs. 6 Satz 1 AMG spreche dafür, dass der Gesetzgeber die Information durch Packungsbeilage und Packung grundsätzlich als gleichwertig erachte. Jedenfalls sei es unverhältnismäßig (Art. 12 GG), eine Information auf der Packung zu verbieten, die für die Packungsbeilage Pflichtangabe sei.

Entgegen der Auffassung des Senats (Anlage K 4) sei es auch nicht zu beanstanden, dass die Angabe auf der Packung nur ein Anwendungsgebiet, wenn auch unstreitig das Hauptanwendungsgebiet, herausgreife. Die Angabe sei eine sachangemessene Information zu diesem Hauptanwendungsgebiet. Das Weglassen der übrigen Anwendungsgebiete führe nicht zumindest zu einer mittelbaren Gesundheitsgefährdung, das vom Senat in seiner Entscheidung (Anlage K 4) angenommene Vollständigkeitsgebot verstoße für § 10 HWG gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und lasse sich auch nicht aus § 4 HWG herleiten. In einer Werbung müssten - abgesehen von den Pflichtangaben - nicht alle Anwendungsgebiete genannt werden (BGH GRUR 1983, 333 - Grippewerbung II).

Nach dem neuen § 10 Abs. 1 Nr. 14 AMG n. F. sei die Angabe des Verwendungszwecks auf der Packung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nunmehr sogar zwingend vorgeschrieben. Die Gesetzesbegründung hierzu gebe auch keine Anhaltspunkte für den Umkehrschluss, bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dürften etwa keine Anwendungsgebiete angegeben werden.

Die Angabe des Anwendungsgebiet auf der Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels sei nur nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber jedenfalls eine "nützliche weitere Angabe", die nach § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG n. F. zulässig sei.

Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 HWG sei nicht gegeben. In der Anlage zu § 12 HWG gebe es nicht mehr eine Ziffer 5 c ("organische Krankheiten des Herzens"), und zwar seit dem 6. September 2005, dem Inkrafttreten des Art. 2 Nr. 7 des 14. AMG-Änderungsgesetzes vom 29. August 2005 (BGBl. I S. 2570).

Durch Urteil vom 5. September 2006 hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit (das ergibt sich aus den Entscheidungsgründen) der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Auf das Urteil wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie noch vor:

Das Landgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dass das Landgericht § 10 HWG wegen fehlender Werbung verneint habe, sei nicht nachvollziehbar.

Der Senat habe im Verfügungsurteil (Anlage K 4) die beanstandete Werbeaussage als unzulässig im Sinne des § 10 AMG angesehen, weil es sich um eine werbliche Herausstellung des Anwendungsgebiets "Bluthochdruck" im Verhältnis zu den weiteren zugelassenen Anwendungsgebieten handele und insoweit ein Widerspruch zu den Angaben nach § 11 a AMG vorläge (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG n. F.). Nach ihrer (der Klägerin) Auffassung wäre es aber auch unzulässig, alle Anwendungsgebiete auf der Faltschachtel anzugeben. Jedenfalls aber sei das werbliche Herausstellen nur eines Anwendungsgebietes unzulässig.

Für die Frage, welche Bedeutung die Benennung eines Anwendungsgebietes auf der Faltschachtel für den Patienten habe, sei maßgeblich, dass diese Angabe gesetzlich vorgeschrieben wäre, wenn deren Nennung auf der Faltschachtel wichtig bzw. erforderlich wäre. Die Wendung "weitere Angaben" in § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG n. F. zeige auf, dass es nicht um Hinweise handele, die sich ohnehin in den Pflichtangaben der Ausstattung (hier: Beipackzettel) befänden, sondern um solche, die über die Pflichtangaben hinaus Informationen für Patienten enthielten. Dies könnten aber nicht die Angaben sein, die bei einem anderen Teil der Packungsausstattung vorgeschrieben seien.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils gemäß dem erstinstanzlich gestellten Klageantrag zu 2.) zur Unterlassung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Ergänzend trägt sie noch vor:

Der Unterlassungsantrag sei zu unbestimmt. Es bestehe zwischen den Parteien gerade darüber ein Streit, ob die Angabe auf der Faltschachtel "Werbung" sei oder nicht.

Zu Recht habe das Landgericht angenommen, vorliegend sei keine Werbung im Sinne des § 10 HWG gegeben. Es sei eine Tatsachenfrage, ob die angegriffene Werbebehauptung tatsächlich das Verordnungsverhalten des Arztes mittelbar beeinflussen könne. Die dahingehenden Ausführungen der Klägerin zur Werbewirkung dieser Angabe seien reine Spekulation. Sie (die Beklagte) bestreite das, einen Beweis habe die Klägerin nicht angetreten.

Sie (die Beklagte) bestreite auch, dass die Gefahr einer Selbstmedikation durch Dritte dadurch überhaupt erhöht werde, dass eine Aussage, die als Pflichtangabe auf der Packungsbeilage eines Arzneimittels enthalten sein müsse, auf der Umverpackung desselben Arzneimittels wiederholt werde. Einen Beweis habe die Klägerin insoweit ebenfalls nicht angetreten.

Jedenfalls sei § 10 Abs. 1 HWG vorliegend nicht anzuwenden, weil die Angabe nach § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG zulässig sei. Die Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" sei synonym mit dem ersten Anwendungsgebiet aus der Fachinformation (Anlage K 2, Fachinformation, dort unter Ziffer 4. 1: "arterieller Bluthochdruck (Hypertonie)" (Anlage B 2). Mit dem Hinweis auf der Faltschachtel werde beispielhaft auf die in der Praxis mit über 80 % Verschreibungshäufigkeit bei weitem wichtigste Indikation verwiesen, zu deren Behandlung des Mittel zugelassen sei (Anlage B 3). Die Angabe sei daher wichtig im Sinne einer frühzeitigen, auch wiederholten Information des Patienten, dem das Arzneimittel verordnet worden sei. Nichts anderes folge im Übrigen aus Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG (des sog. Gemeinschaftskodex).

Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG sehe nicht vor, dass die "weiteren Angaben" auf der Umverpackung den Angaben nach § 11 a AMG entsprechen müssten. § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG enthalte auch kein Vollständigkeitsgebot.

Selbst wenn man - entgegen ihrer (der Beklagten) Auffassung - annehme, dass die streitgegenständliche Angabe dem Wortlaut des Werbeverbots gemäß § 10 Abs. 1 HWG unterfiele, müsse die Anwendung der Vorschrift wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorliegend unterbleiben:

Die Information auf der Faltschachtel sei rein sachlich gehalten und wiederhole den Hinweis aus der Packungsbeilage ohne jeden werblichen Zusatz. Das vermeintliche Vollständigkeitsgebot (so der Senat gemäß Anlage K 4) bestehe schon nach den Vorschriften des HWG und des AMG nicht; es gleichwohl durchzusetzen, wäre verfassungsrechtlich jedenfalls eine unverhältnismäßige Einschränkung der Werbefreiheit. Die Nennung der in der Praxis bei weitem wichtigsten Indikation auf der Packung könne nicht zu einer Gesundheitsgefährdung des Patienten führen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Beiakte Landgericht Hamburg 312 O 540/05 (= HansOLG Hamburg 3 U 192/05) Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Klage, soweit sie nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, im Umfang des Klageantrages zu 2.) abgewiesen.

I.

1.) Der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Unterlassungsantrag zu 2.), den das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen hat.

2.) Der Gegenstand des Unterlassungsantrages zu 2.) ist das Werben für das Arzneimittel "Toooo" außerhalb der Fachkreise mit der Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck", und zwar auf der äußeren Umverpackung des Arzneimittels.

(a) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bezieht sich verallgemeinert auf die Verwendung der Angabe auf der äußeren Umverpackung des Arzneimittels "Toooo". Das hat die Klägerin schon im vorangegangenen Verfügungsverfahren klarstellen lassen.

Für das beanspruchte Verbot soll es - wie die fehlende bloße Bezugnahme auf die konkrete Faltschachtel (abgebildet in der Anzeige gemäß Anlage K 3) aufzeigt - nicht darauf ankommen, an welcher Stelle auf der Faltschachtel die Angabe steht. Insoweit geht die Verallgemeinerung des Verbots über die konkrete Aufmachung der Faltschachtel gemäß Anlage K 3 hinaus. Andererseits sind Sonderfälle der drucktechnischen Gestaltung, wie z. B. eine besondere, arzneimittel-untypische Hervorhebung der beanstandeten Angabe auf der Faltschachtel etwa auf einem Sticker oder mit einem "Störer" nicht Streitgegenstand.

(b) Die Verwendung der Angabe auf der Faltschachtel soll nur verboten sein, soweit das außerhalb der Fachkreise geschieht. Der Vertrieb des Arzneimittels in der Stufe vor der Abgabe an den Patienten ist davon nicht betroffen.

(c) Zum Streitgegenstand gehört auch, dass - wie ausgeführt - das beworbene Arzneimittel für folgende Anwendungsgebiete zugelassen ist (Anlage K 2, Fachinformation, dort unter Ziffer 4. 1):

- arterieller Bluthochdruck (Hypertonie)

- chronische, stabile koronare Herzkrankheit (Angina pectoris)

- Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt

- schnelle Formen der Herzrhythmusstörungen (supraventrikuläre und ventrikuläre tachykarde Arrhythmien)

- vorbeugende Behandlung der Migräne;

und dass in der Praxis die an erster Stelle in der Fachinformation aufgeführte Indikation "arterieller Bluthochdruck (Hypertonie)" mit über 80 % Verschreibungshäufigkeit bei weitem am wichtigsten ist (Anlage B 3).

II.

Der von der Klägerin in der Berufungsinstanz nur noch weiter verfolgte Klageantrag zu 2.) ist - entgegen dem Einwand der Beklagten - hinreichend bestimmt und demgemäß zulässig.

Die Beklagte meint, die Wendung "mit der Aussage zu werben" sei zu unbestimmt, weil zwischen ihr und der Klägerin gerade der (berechtigte) Streit darüber bestehe, ob die angegriffene Angabe auf der äußeren Umverpackung Werbung im Sinne des § 10 Abs. 1 HWG sei oder nicht. Das Argument greift nicht durch.

Die Verbotsbestimmung im Klageantrag enthält den Zusatz "und zwar auf der äußeren Umverpackung des Arzneimittels". Damit und mit der obigen Verbotsdefinition durch den Senat ist klar gestellt, dass das Verbot die Verwendung der Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" lediglich auf der äußeren Umverpackung betrifft, und zwar in der oben erläuterten Verallgemeinerung.

Mit dieser Klarstellung ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch trotz der Wendung "zu werben" im Verbot hinreichend bestimmt. Dieser kommt insoweit keine für die Reichweite des Verbots bedeutsame Funktion zu.

III.

Der Unterlassungsantrag zu 2.) ist auch Auffassung des Senats aus den allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG, § 10 Abs. 1 HWG nicht begründet. Hiervon ist auch das Landgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen.

1.) Nach § 10 Abs. 1 HWG darf für verschreibungspflichtige Arzneimittel - um ein solches handelt es sich bei dem Arzneimittel "Toooo" - nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden.

Hieraus ergibt sich, dass für das in Rede stehende verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb der Fachkreise nicht geworben werden darf.

2.) Die beanstandete Angabe auf der Arzneimittelpackung wird jedenfalls auch außerhalb der Fachkreise im Sinne des § 10 Abs. 1 HWG verwendet.

Der Umstand, dass das Arzneimittel "Toooo" verschreibungspflichtig ist, steht dem nicht etwa entgegen. Angaben auf der äußeren Umverpackung eines Arzneimittels erreichen nicht nur Fachkreise, sondern auch das allgemeine Publikum im Bereich der Patienten. Das entspricht für solche Angaben der objektiven Zielrichtung bei verschreibungspflichtigen Mitteln, sie dienen der Information jedenfalls auch der Patienten.

3.) Mit der Verwendung der angegriffenen Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der äußeren Umverpackung wird für das Arzneimittel "Toooo" geworben; es handelt sich - unbeschadet einer möglicherweise vorzunehmenden Normkorrektur - im Ausgangspunkt insoweit um Werbung im Sinne des § 10 Abs. 1 HWG.

(a) Der heilmittelrechtliche Werbebegriff ist nach der zutreffenden herrschenden Meinung weit zu verstehen. Ihm unterfallen alle informationsvermittelnden und meinungsbildenden Aussagen, die darauf abzielen, die Aufmerksamkeit des Adressaten zu erwecken und deren Entschlüsse mit dem Ziel der Förderung des Warenabsatzes zu beeinflussen.

(b) Bei der angegriffenen Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" handelt es sich inhaltlich um eine solche Aussage. Auf dem Arzneimittelmarkt kann mit dieser Produkteigenschaft Aufmerksamkeit und ein Verschreibungs- sowie ein Anwendungsinteresse geweckt werden.

Die Anwendbarkeit von § 10 HWG wird nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass die Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der äußeren Umverpackung sachlich gehalten und nicht typisch "reklamehaft" gestaltet ist. Der Verkehr mit Arzneimitteln erwartet gerade auch nüchtern-sachliche Angaben (BGH GRUR 1991, 860 - Katovit; OLG Hamburg MagazinDienst 2003, 262 m. w. Nw.) und schenkt diesen Beachtung.

Deswegen kann es auf die vom Landgericht in seinem Verfügungsurteil noch herangezogene Argumentation eines fehlenden "werblichen Überhangs" bei der in Rede stehenden Angabe nicht ankommen. Diese Begründung widerspricht den Grundsätzen zum Werbebegriff des HWG und ist nach Auffassung des Senats nicht tragfähig, um die Anwendung von § 10 HWG auszuschließen.

(c) Im Hinblick auf den Schutzzweck des § 10 Abs. 1 HWG gilt nichts anderes.

Die Vorschrift des § 10 HWG will unabhängig von der Erscheinungsform der Werbung (vgl. § 11 HWG) und dem Schweregrad der Krankheit (vgl. § 12 HWG) den Gefahren der medikamentösen Selbstbehandlung begegnen. Gemeint sind damit vor allem die Gesundheitsgefahren, die aufgrund der Zusammensetzung und der Eigenschaften des Arzneimittels - die zur Verschreibungspflichtigkeit des Mittels geführt haben - auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch eintreten können, wenn es ohne fachkundige Überwachung angewandt wird, und diejenigen Gesundheitsgefahren, die in erheblichem Umfang bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch eintreten können (Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 10 HWG Rz. 9).

(aa) Der Gesetzgeber hat in Verfolgung dieses Zwecks mit § 10 Abs. 1 HWG generell die (und damit jede) Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt, und nicht etwa nur die Anzeigenwerbung und er hat auch rein-informative Angaben vom Werbeverbot nicht etwa ausgenommen. Der Gesetzgeber hat damit für § 10 Abs. 1 HWG die abstrakte Gefahr einer unsachgemäßen Selbstmedikation als ausreichend gesehen. Diese vom Gesetzgeber geschaffene Lage hat das Gericht hinzunehmen. Deswegen hat der Senat schon in seinem Verfügungsurteil auch nicht darauf abgestellt, ob der Schutzzweck des § 10 Abs. 1 HWG die Einordnung der Angabe auf der äußeren Umverpackung als Werbung "erfordere" (so aber das Landgericht im angefochtenen Urteil), sondern allein darauf, dass sich aus dem Schutzzweck nichts Gegenteiliges ergibt. Hieran ist festzuhalten.

(bb) Es wäre daher nach Auffassung des Senats grundsätzlich verfehlt, die Einordnung der beanstandeten Angabe als "Werbung" im Ergebnis davon abhängig zu machen, ob sie in einer Anzeige oder auf der äußeren Umverpackung eingesetzt wird bzw. ob sie rein sachlich-informativ gehalten ist oder nicht.

Im Übrigen würde der Einwand der Beklagten, dass der Arzt die Verschreibungsverantwortung trage und allein dessen Entschließungen maßgeblich wären, auch bei einer Anzeigenwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel passen. Gleichwohl besteht das Publikumswerbeverbot des § 10 Abs. 1 HWG für verschreibungspflichtige Arzneimittel mangels Ausschlusses bestimmter Werbeformen generell und damit grundsätzlich auch für die in Rede stehende Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der äußeren Umverpackung des Arzneimittels.

(cc) Das Landgericht trägt zudem mit seiner Argumentation, der Patient nehme die Angabe erst wahr, wenn er das Arzneimittel verschrieben bekommen habe, dem nach ständiger Rechtsprechung weit zu verstehenden heilmittelrechtlichen Werbegriff nicht Rechnung.

Die Angabe kann Patienten sehr wohl beeinflussen, z. B. den Arzt um eine weitere Verschreibung zu bitten. Außerdem ist der Hinweis auf der Arzneimittelpackung für Dritte wahrnehmbar und kann diese ebenfalls veranlassen, gegebenenfalls einen Arzt um Verschreibung zu bitten.

(d) Für die grundsätzliche Einordnung der Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der Faltschachtel als Werbung im Sinne des § 10 Abs. 1 HWG ist es unerheblich, ob es sich insoweit um eine arzneimittelrechtlich vorgeschriebene Angabe auf der Packung handelt oder ob sie arzneimittelrechtlich zwar nicht vorgeschrieben, aber speziell gestattetet ist.

Sachliche Hinweise auf ein Arzneimittel, die es positiv darstellen und so regelmäßig geeignet sind, seinen Absatz zu fördern, behalten diese Funktion auch dann, wenn es sich um sog. Pflichtangaben handelt. Pflichtangaben sind Bestandteile der Werbung (BGH a. a. O. - Katovit; Gröning, Heilmittelwerberecht, § 1 HWG Rz. 49 m. w. Nw.).

Deswegen wäre es verfehlt, arzneimittelrechtlich vorgeschriebenen Hinweisen z. B. auf einer äußeren Umverpackung etwa generell die Qualifikation als Werbung abzusprechen und schon damit die Anwendbarkeit von § 10 Abs. 1 HWG zu verneinen. Der Gesichtspunkt der vorgeschriebenen Pflichtangaben fände, wie der Senat schon entschieden hat (Anlage K 4), bei der Frage einer etwa gebotenen Normkorrektur seine richtige Verortung. Das gilt, wie nachstehend ausgeführt wird, auch für nicht vorgeschriebene, aber speziell gesetzlich gestattete Angaben entsprechend.

4.) Nach zutreffender allgemeiner Ansicht erfährt der, wie ausgeführt, weit zu fassende heilmittelwerberechtliche Werbebegriff des HWG gemeinschaftsrechtlich sowie nach der Gesetzessystematik und der unterschiedlichen Teleologie von AMG und HWG eine normative Korrektur dahingehend, dass alle Angaben, die arzneimittelrechtlich für die äußere Umverpackung oder Packungsbeilage vorgeschrieben oder gestattet sind, unabhängig von ihrer etwaigen Werbeeignung und den Intentionen des Werbenden nicht als heilmittelweberechtlich relevante Absatzwerbung anzusehen sind und damit nicht in den Anwendungsbereich des HWG und damit auch des § 10 Abs. 1 HWG fallen (Doepner, a. a. O. § 10 HWG Rz. 15 m. w. Nw.).

Dagegen wäre es, wie der Senat bereits entschieden hat (OLG Hamburg a. a. O.), keine gesetzmäßige Normenkorrektur mehr, bei freiwilligen zusätzlichen, nicht vorgeschriebenen oder nicht speziell gesetzlich gestatteten Hinweisen die Norm des § 10 Abs. 1 HWG durch Verneinung ihrer Anwendbarkeit außer Kraft zu setzen.

Hierfür bestünde auch aus Verfassungsgründen kein anzuerkennendes Bedürfnis. Denn solche zusätzlichen Hinweise können im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel so gemacht werden, dass sie nur die in § 10 Abs. 1 HWG genannten Adressaten erreichen. Anders als bei vorgeschriebenen oder sonst suspendierten Angaben kann insoweit kein Gesetzeskonflikt mit dem Verbot des § 10 Abs. 1 HWG entstehen.

5.) Die streitgegenständliche Verwendung der Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der Faltschachtel des Arzneimittels "Toooo" verstößt nicht gegen § 10 Abs. 1 HWG. Das ergibt sich nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze zu der gebotenen normativen Korrektur dieser Vorschrift.

Das hatte der Senat in seinem Urteil vom 16. Februar 2006 (Anlage K 4) bei nur summarischer Betrachtung allerdings noch anders beurteilt. Das erneute und vertiefte Vorbringen der Parteien führt nach Auffassung des Senats für den vorliegend zu entscheidenden Einzelfall nunmehr zu dem nachstehend aufgezeigten Ergebnis, und zwar vor allem auch im Hinblick auf die inzwischen neu gefasste Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 14 AMG.

(a) Eine auf der äußeren Umverpackung des Arzneimittels nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AMG vorgeschriebene Pflichtangabe ist die Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" allerdings nicht. Insoweit kommt eine Ausnahme vom Verbot des § 10 Abs. 1 HWG nicht in Betracht.

In § 10 Abs. 1 Satz 1 AMG ist bestimmt, welche Angaben zwingend auf der äußeren Umhüllung eines Arzneimittels, um die es vorliegend bei "Toooo" geht, zu machen sind. Die Anwendungsgebiete des Arzneimittels gehören dazu nicht.

(b) Eine Normenkorrektur des § 10 Abs. 1 HWG ist entgegen den Ausführungen des Landgerichts im Verfügungsurteil aus § 11 Abs. 6 Satz 1 AMG unmittelbar nicht geboten. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 16. Februar 2006 (Anlage K 4) so entschieden, hieran ist festzuhalten.

Zu den Pflichtangaben der Packungsbeilage gehören die Anwendungsgebiete (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 AMG). Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 AMG kann die Packungsbeilage entfallen, wenn die nach den Absätzen 1 bis 4 vorgeschriebenen Angaben auf dem Behältnis oder auf der äußeren Umhüllung stehen. Die Vorschrift enthält also eine Ausnahme von dem Anbringen der Pflichtangaben auf der Packungsbeilage und enthält damit mittelbar eine Gestattung für weitere Angaben auf der Faltschachtel bei fehlender Packungsbeilage.

Die Vorschrift passt zu dem vorliegenden Sachverhalt schon deswegen nicht, weil der Streitgegenstand nicht auf eine insoweit etwa unvollständige Packungsbeilage abstellt. Die vorliegende Fallgestaltung, bei der auf der äußeren Umverpackung nur ein Anwendungsgebiet von mehreren Indikationen genannt wird, regelt § 11 Abs. 6 Satz 1 AMG ebenfalls nicht.

(c) Es steht aber nach Auffassung des Senats § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG n. F. vorliegend der Anwendbarkeit von § 10 Abs. 1 HWG entgegen. An seinen gegenteiligen Ausführungen im Verfügungsurteil zu dem wortgleichen § 10 Abs. 1 Satz 3 AMG a. F. hält der Senat für diesen vorliegend zu entscheidenden Einzelfall nicht mehr fest.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG sind - außerhalb der in Abs. 1 Satz 1 genannten Pflichtangaben - weitere Angaben auf der äußeren Umverpackung zulässig, soweit sie mit der Verwendung des Arzneimittels in Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung wichtig sind und den Angaben nach § 11 a AMG nicht widersprechen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein und sind vorliegend unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gegeben.

(aa) Die Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der Faltschachtel nennt ein Anwendungsgebiet des Arzneimittels und steht damit im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG mit der Verwendung des Arzneimittels "in Zusammenhang".

(bb) Die Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" nennt ein Anwendungsgebiet und ist vorliegend "wichtig für die gesundheitliche Aufklärung".

Die begriffliche Bestimmung "wichtig für die gesundheitliche Aufklärung" in § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG erfordert keine Unverzichtbarkeit der zusätzlichen Angaben aus dem Gesichtspunkt der gesundheitlichen Aufklärung, vielmehr wird ausreichend sein, dass die Angabe der gesundheitlichen Aufklärung dienlich ist. Eine zulässige weitere Angabe kann auch die Angabe der Anwendungsgebiete sein. Für die gesundheitliche Aufklärung wichtig können Angaben zum Anwendungsgebiet jedoch nur sein, wenn sie vollständig sind, d. h. wenn das Anwendungsgebiet so wiedergegeben wird, wie es im Zulassungsbescheid ausgewiesen ist (Kloesel/Cyran, AMG, § 10 AMG Rz. 74).

Nach diesen Grundsätzen ist das Merkmal "wichtig für die gesundheitliche Aufklärung" gegeben, obwohl die Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" nicht wörtlich mit dem ersten Anwendungsgebiet gemäß der Arzneimittelzulassung übereinstimmt. Dieses lautet, wie ausgeführt: " arterieller Bluthochdruck (Hypertonie)" (Anlage K 2, Fachinformation, dort unter Ziffer 4.1), inhaltlich besteht aber unstreitig zur beanstandete Angabe kein Unterschied.

Soweit in der Kommentierung zu § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG (Kloesel/Cyran, AMG, § 10 AMG Rz. 74) auf die vollständige Wiedergabe des Anwendungsgebiets abgestellt wird, stützt das die vom Senat im Verfügungsurteil noch herangezogene Argumentation zur fehlenden Wiedergabe aller Anwendungsgebiete nicht. Vielmehr geht es insoweit um die unvollständige und damit inhaltlich entstellende verkürzte Wiedergabe eines Anwendungsgebiets. Die dort zitierte Entscheidung des OVG Berlin betraf den Fall, in dem ein differentialdiagnostischer Hinweis aus der Arzneimittelzulassung weggelassen war. Um eine solche Besonderheit geht es aber, wie ausgeführt, vorliegend nicht.

(cc) Die Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG bezüglich des Merkmals "wichtig für die gesundheitliche Aufklärung" und des Merkmals, dass die weiteren Angaben "den Angaben nach § 11 a AMG (Fachinformation) nicht widersprechen" sind in der gebotenen Zusammenschau beider Merkmale vorliegend gegeben.

Wird auf der äußeren Umverpackung nur ein Anwendungsgebiet aus der Arzneimittelzulassung, die mehrere Anwendungsgebiete enthält, aufgeführt, so kann das gleichwohl in bestimmten Fällen dienlich und damit wichtig für die gesundheitliche Aufklärung sein und muss nicht stets einen Widerspruch zu den Angaben nach § 11 a AMG bedeuten.

Das gilt jedenfalls für den vorliegenden Sachverhalt, in dem die erste Indikation aus der Fachinformation, wenn auch mit anderen Worten, auf der äußeren Umverpackung genannt wird und dieses Anwendungsgebiet, wie ausgeführt, mit über 80 % Verschreibungshäufigkeit das bei weitem wichtigste ist (Anlage B 3).

(aaa) Im vorliegenden Fall ist die Nennung nur des einen Anwendungsgebiets "Zur Behandlung von Bluthochdruck" als (gegenüber dem Beipackzettel) zusätzliche Information "wichtig für die gesundheitliche Aufklärung", obwohl sich diese Angabe mit anderen Worten aus der Packungsbeilage entnehmen lässt, in der sämtliche Anwendungsgebiete und damit auch das erste Anwendungsgebiet - "arterieller Bluthochdruck (Hypertonie)" - genannt sind.

Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 14 AMG n. F. ist die Angabe des Verwendungszwecks auf der äußeren Umverpackung eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels zwingend vorgeschrieben. Es ist ohne weiteres sinnvoll, bei Arzneimitteln zur Selbstmedikation dem Verbraucher die Möglichkeit zu bieten, ohne Öffnen der Verpackung sich über die Verwendungszweck des Arzneimittels informieren zu können (Kloesel/Cyran, AMG, § 10 AMG Rz. 71). Nichts anderes gilt insoweit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bei der Angabe einer Indikation auf der Umverpackung jedenfalls für die grobe Orientierung, vor allem wenn Patienten mehrere Arzneimittel einnehmen sollen.

Im Übrigen lässt sich der Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 1 Nr. 14 AMG n. F. nicht etwa im Umkehrschluss entnehmen, bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln könne die Nennung eines Anwendungsgebietes keine "für die gesundheitliche Aufklärung wichtige" weitere Angabe im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG sein.

Dem lässt sich entgegen dem Einwand der Klägerin nicht mit dem Argument begegnen, es handele sich um eine Pflichtangabe für die Packungsbeilage, eine solche könne nicht als weitere Angabe für die äußere Umverpackung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG zulässig sein. Auf einen solchen Zusammenhang stellt § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG gerade nicht ab, sondern insoweit nur auf die Wichtigkeit für die gesundheitliche Aufklärung.

(bbb) Obwohl die Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" nur die erste Indikation des Arzneimittels betrifft, ist gleichwohl kein Widerspruch insoweit zu den Angaben des § 11 a AMG (Fachinformation) gegeben.

Nach der 3. Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG sind, wie ausgeführt, außerhalb der in Abs. 1 Satz 1 genannten Pflichtangaben auf der äußeren Umverpackung weitere Angaben zulässig, soweit sie den Angaben nach § 11 a AMG nicht widersprechen. Der Gesetzgeber hat für die 3. Voraussetzung genügen lassen, dass kein Widerspruch besteht, eine Wiedergabe sämtlicher Indikationen aus der Fachinformation und damit eine Übereinstimmung mit dieser wird insoweit nicht verlangt.

Auch unter Berücksichtigung des Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG, nach dessen Regelung alle Angaben mit werblicher Zielsetzung unzulässig sind (Kloesel/Cyran, AMG, § 10 AMG Rz. 74), ergibt sich vorliegend nichts anderes.

Der Umstand, dass die Angabe die erste und die nach der Verschreibungshäufigkeit am bedeutsamste Indikation gemäß der Fachinformation betrifft, lässt eine werbliche Zielsetzung gegenüber der gesundheitlichen Aufklärung in den Hintergrund treten.

Der Senat kann offen lassen, wie eine Fallgestaltung zu beurteilen wäre, in der nicht die "erste" und wichtigste Indikation, sondern etwa eine anderes Anwendungsgebiet herausgegriffen würde oder gar verschiedene Packungsversionen in Rede stünden, auf denen teilweise die eine und teilweise eine andere Indikation einzeln angegeben wäre.

Jedenfalls stellt § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG mit der Wendung "nicht widersprechen" nicht auf die Wiedergabe aller Indikationen auf der äußeren Umverpackung ab.

(ccc) Soweit bei der Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG für den vorliegenden Fall Zweifel verbleiben sollten, ob die Beklagte bei der Nennung der beanstandeten Indikation auf der Faltschachtel nicht gleichwohl eine werbliche Zielsetzungen verfolgt, wären diese im Blick auf den mit der Anwendung von § 3, 4 Nr. 11 UWG verbundenen Unlauterkeitsvorwurf zu Lasten der Klägerin zurückzustellen. Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG mit "nicht widersprechen" eine vom Ansatz eher weite Ausnahme geschaffen.

IV.

Nach alledem ist die Berufung der Klägerin unbegründet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Soweit das Landgericht hinsichtlich des für erledigten erklärten Klageantrages zu 1.) die Kosten gemäß § 91 a ZPO der Beklagten auferlegt hat, ist das Urteil nicht angefochten worden. Der Senat nimmt daher auf die Begründung des Landgerichts Bezug.

Der Senat hat die Revision zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Frage einer bei § 10 Abs. 1 HWG wegen § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG vorzunehmenden Normkorrektur ist von grundsätzlicher Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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